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Angehörige und Betroffene – zwei Blickwinkel

Antje Krieger-Wehnsen, Eberhard Maurer

Wie viele Erkrankungen, so beeinflusst auch die Achalasie nicht nur das Leben des Betroffenen, sondern des ganzen Umfeldes, insbesondere der Familie.

Hierbei spielen diverse Faktoren eine Rolle. Als allererstes natürlich die Stärke der Beschwerden, aber auch die aktuelle Lebenssituation hat großen Einfluss (Besteht viel Stress im Beruf/ in der Familie? Beeinflusst die Achalasie die Leistungsfähigkeit oder gar die berufliche

Arbeitsfähigkeit? Ist die Erkrankung nach außen hin deutlich wahrnehmbar?)

Es ist für Angehörige nicht leicht, miterleben zu müssen, wenn ein geliebter Mensch Schwierigkeiten beim Essen hat und ja, oft sogar dabei leidet. (Ehe-) Partner und Eltern sind häufig nah dran, aber stehen außen vor – das Gefühl, nicht helfen zu können, ist schlimm.

Ist die Achalasie erst mal diagnostiziert und therapiert, verbessert sich der Essvorgang zwar in der Regel deutlich, aber je nach Ausprägung der Erkrankung sind trotzdem weitere Probleme und Einschränkungen vorhanden – mal häufig, mal selten. Es fällt als Angehöriger schwer, das zu beobachten.

Jeder Angehörige geht wahrscheinlich unterschiedlich mit der Herausforderung um. Alle Fragen nach dem Wohlbefinden oder Ratschläge, welche Maßnahmen man wohl ergreifen könnte entspringen dem Bedürfnis zu helfen – und gleichzeitig erfährt man doch ein Gefühl der

Hilflosigkeit.

Auch Betroffene stellen sich sicher sehr verschieden ihrer Erkrankung – verkraften die Herausforderungen auf unterschiedliche Art und Weise. Jedoch wird immer wieder berichtet, wie sehr ein andauerndes besorgtes Ansprechen auf die Erkrankung (insbesondere während

des Essens, wenn vielleicht gerade wieder etwas quer steckt) stresst und in letzter Konsequenz dann auf die Nerven geht - obwohl die Betroffenen die gute Absicht durchaus kennen und in der Regel auch würdigen.

Man sieht: es ist ein Dilemma!

Auf der einen Seite leisten die Angehörigen eine sehr direkte Unterstützung und versuchen, die Problematik mit zu stemmen, auf der anderen Seite sind die Betroffenen zurecht gestresst und ein Übermaß an guten Ratschlägen ist dann wenig hilfreich.

Gibt es einen Ausweg? Bestimmt.

Verständnis füreinander, Geduld miteinander und vielleicht auch ein offenes und ehrliches Gespräch ohne Vorwürfe könnten eine neue „Zusammenarbeit“ schaffen – denn schließlich wissen oder ahnen zumindest auch viele Betroffene, dass sie eine wertvolle Unterstützung in schweren Zeiten von ihren Angehörigen erfahren haben.

Außer in bestimmten heiklen Momenten, in denen man als Betroffener lieber in Ruhe gelassen werden will, braucht man generell doch das Verständnis und die Unterstützung von Partnern und Angehörigen. Mit vielen Aspekten der Achalasie muss man sich immer wieder

auseinandersetzen und dabei helfen Gespräche, die oft auch sehr intime Themen berühren.

Neben den Essensstrategien sind es oft auch besondere Schlafpositionen und andere sehr spezielle Arrangements, mit denen die Achalasie erträglicher wird, auch davon sind meist Angehörige mit betroffen.

Schwierig wird es, wenn Betroffene sich sehr als belastender Faktor empfinden oder wenn sie vom Partner so eingestuft werden. Fast immer ist es aber so, dass Partner und Angehörige ebenfalls Schwierigkeiten - nur andere- in ihrer Lebensführung oder mit ihrer Gesundheit haben und ebenfalls Verständnis und Unterstützung benötigen.

Schön ist hier die Vorstellung der Partnerschaft und der Familie als Solidargemeinschaft, bei der jeder die Schwierigkeiten anderer mit trägt.

Sicher ist es wunderbar, wenn Menschen unbeschwerte und glückliche Zeiten miteinander haben. In der Realität stellen sich aber immer Belastungen, Krankheiten, Unfälle, Krisen etc. ein.

Jedoch gerade die Bewältigung dieser Dinge vertieft die Bindungen zwischen den Menschen, verschafft eine Fülle von Erfahrungen und kann zu reiferen und umfassenderen Persönlichkeiten führen.

Die Achalasie-Erkrankung tritt unverhofft in das Leben ein und ändert vieles.

Zweifellos steht die Einschränkung im Vordergrund, gibt es Probleme und Ängste. Allerdings dürfen auch einige positive Auswirkungen auf Betroffene und ihr Umfeld nicht übersehen werden.

Gerade die nach einer Behandlung vorhandenen Schluckbeschwerden sind tägliche Impulsgeber für wesentliche Dinge, und sie provozieren auch Bewusstheit für körperliche und psychische Zusammenhänge.

Sie sind nicht nur Störungsmelder sondern auch Sensoren für schädigendes oder gesünderes Verhaltens.

Achalasie-Betroffene haben oft für ihr Einkaufs-, Koch- und Essverhalten sehr sorgfältige Gewohnheiten entwickelt. Sie achten häufiger auf gesunde Ernährung, meiden Schadstoffe und pflegen in vielen anderen Dingen mehr Achtsamkeit. Das erweiterte Wissen zu guter Ernährung kann auch für ihr Umfeld förderlich sein.

Manchmal lassen sich solche Besonderheiten und Zusammenhänge nur schwer mit Angehörigen kommunizieren.

Deshalb werden Angehörige immer zu den Regionaltreffen eingeladen. Dort entstehen neben dem Erfahrungsaustausch zur Erkrankung auch manchmal sehr konstruktive Gespräche zu diesen problematischen Themen.

Wer sich in der Achalasie-Selbsthilfe ehrenamtlich engagiert, braucht dafür Zeit, die den Angehörigen dann fehlt.

Gleichzeitig kann dies auch zu einer Bereicherung werden. Denn gegenüber vielen anderen gesellschaftlichen Wertorientierungen

entstehen sinnvolle, erfüllende und lohnende Tätigkeiten und Resultate und das wiederum kreiert positive Rückmeldungen.

Das Tun für andere nützt auch jedem selbst und sicher auch dem unmittelbaren Umfeld.

Gibt es Auswirkungen auf Kinder von Betroffenen?

Noch sehr wenig wurden auf den Regionaltreffen die Auswirkungen auf Kinder von Betroffenen thematisiert.

Zunächst gehen Kinder meistens unbefangen und einfühlsam mit Belastungen der Eltern um. Es kann jedoch auch passieren, dass Ängste auftauchen. Weil Kinder die Auswirkungen der Erkrankung nicht richtig einschätzen können, werden manchmal alle möglichen

Szenarien phantasiert. Dies kann sein, den Elternteil zu verlieren, oder selbst von Achalasie betroffen zu werden.

Auch viele andere Vorstellungen, die man nicht vermuten würde, können entstehen.

Es ist ratsam, auf solche Phantasien konkret einzugehen und mit großer Klarheit die Situation und die möglichen realistischen Konsequenzen zu erläutern. Hierbei muss natürlich, je nach Alter des Kindes, differenziert vorgegangen werden.

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